Weil es auf den Tag genau passt, will ich dir mal einen Teil meiner Geschichte erzählen. Heute nämlich hat meine jüngste Tochter Geburtstag. Sie wird 14 Jahre alt. Abgesehen davon, dass wir ihren Geburtstag nicht so feiern können, wie sie das gerne möchte, weil ihre großen Geschwister nicht kommen können, abgesehen davon, dass  ihre Reiterfreizeit ausfällt, ihre Konfirmation verschoben wurde und an die geplante Klassenfahrt derzeit nicht zu denken ist, schweben für uns alle über diesem Tag selbst bei dem strahlenden Sonnenschein, der für heute angesagt ist, ein paar Wolken. Denn unsere jüngste Tochter ist ein Zwilling und ihre Zwillingsschwester ist gestorben. Wir haben also sechs Kinder, fünf davon leben.

Es war eine harte Zeit für unsere Familie, die Zeit im April 2006. Auch die Wochen davor bereits, weil ich lange im Krankenhaus sein musste. Der Tod war gegenwärtig. Und gleichzeitig ereignete sich die Geburt als ein kraftvolles Frühlingsgeschehen. Es war mir nie bewusster als damals, wie nah Leben und Tod beieinander liegen, wie sehr sich Freude und Schmerz miteinander verflechten können, wie sehr das eine Kind ein Recht hat auf seinen Tod, ebenso wie das andere Kind das Recht hat auf sein Leben.

Es war die wohl intensivste Zeit meines bisherigen Lebens, die Zeit um den 8. April 2006 herum. Das ganze Jahr war so. Aber es war auch eine Zeit der Geschenke, die das Leben für uns bereit hielt: ein Miteinander als Eltern, das wir in der Weise vorher nicht erlebt hatten, ein Zusammenhalt in unserer Familie, ein sprunghaftes Reifen, das unsere großen Kinder vollzogen, und Gefühle in ihren Tiefen und Höhen wie sie tiefer und höher kaum sein können. Geburt und Tod eben. Anfang und Ende zugleich. Und trotzdem wohnte in allem Dankbarkeit. Das tut es immer noch.

Ich glaube, ich habe erst damals wirklich begriffen, was Leben ist, und dass der Bruder Tod auch als Freund daherkommen kann.

Das wollte ich einfach mal erzählen. Damit du von mir weißt und einen kleinen Ausschnitt meiner persönlichen Geschichte kennst. Und weil diese Geschichte für mich heute sowieso obenauf liegt. Warum also sollte ich drumherum schreiben? So bin ich nicht. Das kann ich nicht.

Wir feiern heute zwei Geburtstage, die Geburtstage unserer jüngsten Kinder. Wir werden auch dem Friedhof einen Besuch abstatten und Blumen dorthin bringen. Aber auch heute noch hat die Zwillingstochter, die bei uns bleiben durfte, das Recht auf ihr wunderbares Leben. Und deswegen ist es ihr Tag – und das ist gut so!

Dir wünsche ich in dieser Woche wunderbare Erlebnisse mitten im Schmerz und die Gelegenheit, das Leben dankbar zu empfangen!

Von Herzen,

deine Katharina