Alle warten auf diese Nachricht, deswegen schreibe ich heute als erstes, dass mein kleiner Enkel am 1. Dezember das Licht der Welt erblickt hat. Die Geburt verlief sehr gut, und sowohl meine Tochter als auch der Kleine erfreuen sich prächtiger Gesundheit.

Meine Familie und ich sind natürlich sehr froh und dankbar, denn nichts in diesem Leben ist selbstverständlich. So auch nicht das glückliche Ende einer Geburt.

Ich habe geschrieben, er habe das Licht der Welt erblickt. Das ist eine poetische Umschreibung für das, was tatsächlich passiert. Für Neugeborene liegt der größte Schock ihres Lebens hinter ihnen. Sie sind aus der bergenden Mutterhöhle, wo sie es warm und gemütlich hatten und wo sie geborgen waren, hinaus in eine Umgebung getreten, in der es hell ist und kalt und sie den Kampf ums Überleben auf eigene Faust antreten müssen: sämtliche Körperfunktionen müssen ihren Dienst aufnehmen, sie müssen selbstständig atmen und essen, verstoffwechseln und ausscheiden. Wenn es nur an einer Stelle Probleme gibt, ist das empfindliche Gleichgewicht gestört.

Der größte Schock des Lebens – und doch ist kein menschliches Leben möglich ohne die Geburt. Mehr noch: kein Leben ist möglich, ohne dass wir ständig neu vor Herausforderungen gestellt werden, die unser bisheriges Dasein komplett umkrempeln.

Leben ist dazu da, in Angriff genommen zu werden. Probleme sind dazu da, gelöst zu werden. Daran zerbrechen wir nicht. Daran wachsen wir. Vom ersten Atemzug an.

Wenn du dich also einer schier unüberwindlichen Schwierigkeit gegenüberstehen siehst, dann wisse, dass diese Schwierigkeit nicht das Ende deines Lebens bedeutet, sondern dass sie dich nur bis an die Grenzen deines bis dahin existierenden Denkens und Fühlens und deiner Kraft geführt hat. Ein Ungeborenes im Mutterleib weiß nicht um die Welt, in die es hineingeboren werden wird. Und doch ist sie da. Und doch eröffnet sie Horizonte. Und doch lässt sie sich nur erschließen auf dem Weg durch Dunkelheit und Schmerzen auf dem Weg zum Licht.

Vielleicht kannst du in dieser dunklen Jahreszeit und mitten in düsteren Zeiten deines Lebens diese Botschaft gebrauchen: Du erblickst nicht nur einmal das Licht dieser Welt, sondern immer wieder neu. Selbst im Tod noch gehst du dem Licht entgegen. – Ob das dann allerdings noch von dieser Welt sein wird oder längst einer anderen angehört, das vermag ich nicht zu sagen.

Ich wünsche dir von Herzen eine lichtvolle Adventswoche von Mittwoch zu Mittwoch,

deine Katharina

Zitat der Woche: „Wir treten aus dem Dunkel nun in ein helles Licht. Warum wir’s Sterben nennen? Ich weiß es nicht!“ (Dietrich Bonhoeffer)

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