Oh ja, ich kenne sie sehr gut, die Situationen, denen ich am liebsten aus dem Weg gehen würde. Prüfungen zum Beispiel. Ich bin überhaupt nicht der Prüfungstyp. Vor jeder Prüfung, die ich in meinem Leben absolvieren musste, war ich unfassbar aufgeregt.

Daneben gibt es unzählige andere unerfreuliche Dinge, die ich nicht erleben wollen würde, wenn ich es nicht müsste. Und doch weiß ich, dass ich ihnen nicht entrinnen kann. Ich kann noch so sehr die Augen davor verschließen, versuchen, sie zu ignorieren und die Vogel-Strauß-Politik fahren. Weggucken. Einfach weggucken.

Doch ich weiß, dass ich dem, was das Leben mir beschert, nicht entfliehen kann. Keiner einzigen Situation. Denn was wir zu umgehen versuchen, das wird uns an anderer Stelle umso härter treffen.

Uns allen ist bewusst, dass wir auch der Trauer nicht entfliehen können. Jede:r von uns wird im Verlaufe ihres oder seines Lebens mit dem Tod konfrontiert (mindestens mit dem eigenen). Deshalb ist es auch nicht möglich, den Gefühlen des Abschieds, die mit dem Tod verbunden sind, zu entgehen.

So gerne wir das würden.

Sterben und Tod sind aus dem Leben nicht wegzudenken. Alles, was lebt, stirbt. Das ist bei uns Menschen nicht anders als bei Pflanzen oder Tieren. Wenn unsere liebsten Tiere oder Menschen sterben, dann empfinden wir das zum Abschied gehörende Gefühl: Trauer. Trauer ist normal. Sie ist keine Krankheit. Sie ist eine gesunde Reaktion auf einen schweren Verlust.

Trauer an sich ist nicht schädlich. Im Gegenteil. Sie erinnert uns daran, dass wir fühlende Kreaturen sind. Empfinden wir Trauer, dann kommt eine Seite in uns zum Klingen, die Unangenehmes freisetzt und deswegen am liebsten verdrängt, unterdrückt oder abgespalten werden soll.

Trauer stört. Sie durchbricht die Abläufe des Alltags. Sie tut weh. Sie ist lästig. Und dennoch gehört sie zu uns. Sie ist ein wertvoller Teil unserer Gefühlswelt.

Deshalb gibt es nur einen einzigen Weg, mit der Trauer umzugehen. Und dieser Weg führt mitten durch die Trauer hindurch. Du kannst sie weder ignorieren noch verdrängen noch darüber hinwegsehen oder unter ihr hindurch krabbeln.

Ein von Trauer berührtes Leben verlangt von dir, dass du mitten durch sie hindurch gehst. Du musst sie fühlen und akzeptieren. Sie will als ein Teil deiner selbst gesehen und anerkannt werden. Für eine Weise ist sie möglicherweise die stärkste Kraft in dir. Aber sie will dich nicht zerstören. Sie will dich bereichern mit einer Fühlenergie, die die meisten von uns nicht gerade willkommen heißen.

Manchmal müssen wir die Trauer willkommen heißen. Um unserer seelischen und körperlichen Gesundheit willen sollten wir es unbedingt tun. Zweifelsohne – es tut weh.

So traurig, so schön, so wertvoll.

In diesem Sinne wünsche ich dir von Herzen eine die Trauer willkommen heißende Woche von Mittwoch zu Mittwoch,

deine Katharina

Zitat der Woche: „Die Träne ist die Sprache der Seele und die Stimme des Gefühls.“ (Filippo Pananti)