Der Tod sollte mehr Raum in deinem Leben bekommen. Du hörst richtig: mehr Raum. Denn wenn du ihm diesen Raum nichts gewährst, wird er ihn sich selbst nehmen.
Er wird dich aus dem Hinterhalt überraschen, er wird dich rütteln und schütteln, er wird dich schier zerreißen vor Schmerz. Natürlich wirst du auch traurig sein beim Abschied von einem lieben Menschen, wenn du dem Tod Raum gewährst. Aber dir bewusst zu machen, dass er ein Teil deines Lebens ist, der ebenso dazu gehört wie die Geburt, ist hilfreich. Denn dann verstehst du, warum wir sterben müssen. Manchmal auch viel zu früh.
Wir werden geboren. Und wir sterben. Jedes Leben, einmal begonnen, wird irgendwann wieder zu Ende gehen. Das ist das Gesetz der Natur, dem wir alle unterworfen sind. Ebenso wie in der Natur gibt es für den Prozess, den wir Leben nennen (also die Zeit zwischen der Geburt und dem Tod) keine vorhersagbare Dauer. Nur einen Durchschnittswert. In Deutschland dürfen männliche Babys, die heute geboren werden, durchschnittlich mit 78 Jahren Lebenszeit rechnen und weibliche Babys mit 83.
Das bedeutet aber nicht, dass künftig jeder Mann 78 wird und jede Frau 83. Es gibt etliche, die älter werden als das durchschnittliche Lebensalter, und andere die deutlich früher sterben. Diesbezüglich verhält sich das menschliche Leben nicht anders als das Leben von Tieren oder Pflanzen. Manche gehen früher ein als andere, und wir können es nicht verhindern.
Wenn einer der liebsten Menschen stirbt, die du hast, dann nimmt sich der Tod den Raum, den er braucht. Er fragt nicht danach, ob du dir vorher schon einmal Gedanken über ihn gemacht hast. Er fragt auch nicht, ob du bereit bist, dich damit auseinanderzusetzen.
Der Tod kommt und bleibt und lässt dich in Trauer zurück.
Wir sind es gewohnt, die Geburt eines Menschen zu feiern und seinen Tod zu beklagen. Wir sind es gewohnt, uns auf die Geburt eines Menschen intensiv vorzubereiten, aber den Tod versuchen wir, so lange wie möglich zu verdrängen. Bis er uns auf dem falschen Fuß er wischt.
Ich wünsche mir eine Kultur, in der wir uns auf das Sterben und den Tod ebenso sorgfältig vorbereiten wie auf die Geburt. Denn das sollte uns jeder Mensch, den wir lieben, wert sein, und wir uns selbst ebenfalls.
Letztendlich ist der Tod ein Freund, aber wenn du ihn dein Leben lang vor der Tür stehen lässt und ihn nicht hereinbittest, ist er am Schluss ein Fremder für dich.
Kein schönes Thema vielleicht, aber wichtig und wertvoll und – möglicherweise – lebensverändernd.
Ich wünsche dir von Herzen eine den Tod bedenkende Woche von Mittwoch zu Mittwoch,
deine Katharina
Zitat der Woche: „Der Gedanke an den Tod ist immer heilsam, er tötet nicht, wie man annehmen möchte, er weckt.“ (Jakob Boßhart)
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