Der Tod und das Loslassen, das sind zwei ganz brisante Themen, die oft die Gemüter erhitzen. Vielen Trauernden wird gesagt: „Du musst loslassen können.“ Wobei ich mich frage, was denn damit gemeint sein soll? Ja, alle die es je mit dem Sterben eines lieben Menschen zu tun bekommen haben, die wissen, dass der Punkt kommt, an dem es unvermeidlich ist, die sterbende Person freigeben zu müssen. „Du darfst sterben.“Vielen Sterbenden tut es gut, wenn ihre Lieben das aussprechen. Es macht ihnen das Loslassen leichter. Da ist es, das Loslassen.
Ich teile an dieser Stelle meine ganz persönliche Erfahrung mit dir. In Worten unterscheide ich es so, wie ich es oben geschrieben habe: die Angehörigen sind herausgefordert, ihre Sterbenden freizugeben. Tun sie es nicht, klammern sie sich an das Leben, an den Hauch von Leben, das vergeht, machen sie es der sterbenden Person schwer, sich auf den Weg zu machen. Einen Menschen freizugeben, den du viel lieber weiterhin an deiner Seite haben würdest, heißt nicht, ihn loslassen zu müssen. An den Erinnerungen, an den gemeinsamen Erlebnissen und an der Liebe zu ihm darfst du festhalten.
Aber die sterbende Person, die lässt los, das muss sie auch: ihre Lieben, das Leben, das sie führte, die Welt, in der sie lebte, alles. Zu sterben ist ganz ähnlich, wie sich am Abend müde dem Schlaf hinzugeben. Es kommt der Punkt, da bist du so müde, dass du deine Augen einfach nicht mehr offenhalten kannst. Und dann macht es keine Angst mehr, dann ist es schön, die Augen zu schließen. Lebensmüde, des Lebens müde nach einem Leben, das früher oder später zu Ende gehen muss. Kann auch heißen kampfesmüde, nicht mehr kämpfen wollen, einfach nicht mehr kämpfen wollen.
In einem meiner Texte, den ich manches Mal auf einer Trauerfeier spreche, geht es um das Loslassen, um das Loslassen, das ein sterbender Mensch vor sich hat auf dem Weg ins Land der Träume und der Ewigkeit. Heute also mal ein Text von mir.
Loslassen
Loslassen / die Flügel ausbreiten / und in ein Land fliegen / das niemand von uns kennt
Es ist den Toten vorbehalten / geheimnisvoll / verschlossen / mal leise /mal laut / Sturm und Regen / Sonne, Wind / und ein weiches Bett / aus Wolken / da gehst du hin
Loslassen / die Flügel ausbreiten / und in ein Land fliegen / das niemand von uns kennt / Lebewohl!
Katharina Ziegler
Wie ist es bei dir mit dem Loslassen und dem Freigeben? Hast du Erfahrungen damit?
Ich wünsche dir eine Woche des Freigebens von Mittwoch zu Mittwoch,
deine Katharina
Zitat der Woche: „Sprich nicht voller Kummer von meinem Weggehen, sondern schließe die Augen, und du wirst mich unter euch sehen, jetzt und immer.“ (Khalil Gibran)